Die erste Vision: Eine Schilderung anhand der Berichte von Joseph Smith
Im Frühjahr 1820 sprach der 14-jährige Joseph Smith voll Glauben ein Gebet. Es wurde erhört, indem ihm Gott und Jesus Christus erschienen. Diese bemerkenswerte Vision ist grundlegend für die Geschichte der Kirche. Von Joseph sind uns vier selbstverfasste Berichte über seine Vision bekannt; von Zeitgenossen stammen fünf weitere, in denen sie festhielten, was sie von ihm darüber erfuhren. Zusammengeführt bilden diese Berichte eine reichhaltige Quelle, die den Heiligen der Letzten Tage ein noch tieferes Verständnis von diesem bedeutenden Ereignis ermöglicht. Die nachfolgende Schilderung führt Einzelheiten aus allen bekannten Berichten zusammen.
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„Als ich etwa zwölf Jahre alt war“, schrieb Joseph Smith, „wurden meine Gedanken sehr von der alles überragenden Sorge um das Wohlergehen meiner unsterblichen Seele in Anspruch genommen.“
Im Norden des Bundesstaates New York, in dem Joseph Anfang des 19. Jahrhunderts aufwuchs, fand er sich von religiösen Debatten und Kontroversen umgeben. Bedingt durch die religiöse Erweckungsbewegung stand für ihn eine Frage im Vordergrund: „Was muss ich tun, um errettet zu werden?“ Die Antwort darauf war jedoch alles andere als klar. „Was Religion anbetraf, war mein Inneres sehr beunruhigt“, schrieb Joseph Smith. Es wurde „viel Unterschiedliches gelehrt, daher wusste ich nicht, wer nun recht und wer unrecht hatte. Ich sah es für mich aber von größter Bedeutung an, dass ich in Belangen, deren Folgen ewig waren, das Rechte tat“. Wegen seiner „eigenen Sünden und der Sünden der Welt“ war er „zutiefst bekümmert“.Durch „das Forschen in der Schrift“ fand Joseph heraus, „dass die Menschheit nicht zum Herrn kam, sondern vom wahren und lebendigen Glauben abgefallen war; und dass es keine Gesellschaft oder Glaubensgemeinschaft gab, die auf das im Neuen Testament beschriebene Evangelium Jesu Christi gegründet war“.
Eine Zeit lang suchte er bei den Methodisten nach geistigem Beistand. Im Juli 1819 versammelten sich über hundert Geistliche anlässlich einer Konferenz der Bischöflichen Methodistenkirche in Vienna (dem heutigen Phelps) im Bundesstaat New York, rund einen halben Tagesmarsch von der Farm der Familie Smith entfernt.
In dem Gebiet herrschte „eine ungewöhnliche Erregung über das Thema Religion“. Die Predigten des Geistlichen George Lane haben Joseph Smith womöglich besonders beeinflusst. Josephs jüngerer Bruder William erzählte später: „[Lane] hielt eine Predigt zur Frage ‚Welcher Kirche soll ich mich anschließen?‘ Das Hauptaugenmerk seiner Rede lag darauf, Gott zu fragen, und dabei bezog er sich auf den Vers: ‚Fehlt es aber einem von euch an Weisheit, dann soll er sie von Gott erbitten; Gott wird sie ihm geben, denn er gibt allen gern.‘“ Joseph war den Methodisten „zugeneigt“, sträubte sich jedoch, sich ihnen gänzlich anzuschließen. Er wollte wissen, welche Lehre richtig sei. Joseph weigerte sich, vorzutäuschen, dass er sich bekehrt fühle oder religiöse Gefühle empfände. Später erzählte er Freunden, dass er während einer der Versammlungen der Methodisten „ebenso empfinden und jauchzen wollte, wie alle anderen auch, aber dass er nichts dergleichen verspürte“. Dennoch befand sich sein Sinn „in heftiger Erregung, so groß war das Geschrei, so unaufhörlich der Tumult“.„In dieser Zeit großer Erregung“ wurden Josephs Sorgen in Bezug auf die Religion zur Krise. Er fragte sich, ob die Kirchen vielleicht „allesamt unrecht“ haben, ließ aber nicht zu, diesem schrecklichen Gedanken sein Herz zu öffnen. Gleichwohl hatte er mit „Verwirrung“, „äußersten Schwierigkeiten“ und „innerer Unruhe“ wegen der Schuldgefühle angesichts seiner Sünden zu kämpfen; all dies inmitten eines „Wortkriegs und Tumults der Meinungen“ darüber, durch welche Kirche er Vergebung erlangen könne.
Was Joseph zudem bekümmerte, waren die Unstimmigkeiten, die er zwischen den Kirchen und der Bibel feststellte.
Die Bibel selbst war in diesem Krieg sowohl Schlachtfeld als auch das größte Opfer, „denn die Religionslehrer der verschiedenen Glaubensgemeinschaften verstanden ein und dieselbe Schriftstelle so unterschiedlich, dass dadurch alles Vertrauen darauf zerstört wurde, die Frage durch Berufung auf die Bibel zu entscheiden“.Dennoch wandte sich Joseph Smith an den Gott der Bibel. Immer wieder erlebte er, wie fanatische Religionsanhänger die Bibel als Waffe einsetzten und bestrebt waren „ihre eigenen Lehren durchzusetzen und alle anderen zu widerlegen“.
Joseph hingegen ging auf ganz persönliche und ruhige Weise an die Bibel heran. Er betrachtete sie als lebendiges Wort statt als totes Gesetz, und so sprach sie zu seiner suchenden Seele.„Während [er] also mit diesen äußersten Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, die durch den Glaubensstreit dieser Religionsparteien ausgelöst worden waren“, las Joseph Smith Jakobus 1:5: „Fehlt es aber einem von euch an Weisheit, so erbitte er sie von Gott, der allen gern gibt und keine Vorwürfe macht; dann wird sie ihm gegeben werden.“ Diese Schriftstelle drang ihm tief ins Bewusstsein. „Nie ist einem Menschen eine Schriftstelle mit mehr Macht ins Herz gedrungen als diese damals mir. Es war so, als ergieße sie sich mit großer Stärke in jede Regung meines Herzens. Wieder und wieder dachte ich darüber nach“, schrieb Joseph, „denn ich wusste, wenn überhaupt jemand Weisheit von Gott brauchte, so war ich es; denn wie ich mich verhalten sollte, wusste ich nicht, und solange ich nicht mehr Weisheit erlangte, als ich damals besaß, würde ich es auch nie wissen.“ Diese Aufforderung biblischen Ursprungs, sich um Offenbarung zu bemühen, bewegte ihn zutiefst.
Die Kultur, in der Joseph aufwuchs, neigte so sehr dazu, Beweisstellen aus der Bibel herauszugreifen, um unterschiedliche Lehren zu untermauern, dass die Aufforderung, Gott selbst um Weisheit zu bitten, eine „freudige Botschaft“ war, wie Joseph es ausdrückte, „wie ein Licht, das einen dunklen Ort erhellt“. Joseph entschloss sich, zum ersten Mal in seinem Leben laut zu beten.An einem klaren Frühlingsmorgen im Jahre 1820 zog er sich in einen Wald in der Nähe seines Elternhauses zurück. Er lief zu einer vertrauten Stelle, nahe dem Baumstumpf, in den er nach der Arbeit seine Axt geschlagen hatte.
Dort kniete er sich hin und begann, nach Worten zu suchen, um seine innersten Wünsche zum Ausdruck zu bringen. Jedoch wurde er von einer unsichtbaren Macht überwältigt.Mit gelähmter Zunge und von dichter Finsternis umgeben glaubte Joseph, dem Tod geweiht zu sein. Er wurde von „der Macht eines wirklichen Wesens aus der Welt des Unsichtbaren“ gepackt, „das eine so unglaubliche Macht hatte, wie ich sie nie zuvor bei irgendeinem Wesen verspürt hatte“.
Der Widersacher „umnachtete seinen Verstand mit Zweifeln, und führte seiner Seele allerlei unpassende Bilder vor“. Als Joseph vor der Entscheidung stand, ob er der Macht, die ihn gepackt hatte, nachgeben würde oder nicht, nahm er „alle Kraft zusammen und rief Gott an, er möge [ihn] aus der Macht dieses Feindes befreien“.Joseph wurde eines himmlischen Lichtes gewahr, das auf ihn herabkam und immer heller leuchtete, während es ihn und die Blätter und die Zweige der Bäume umhüllte, bis es schien, als wären sie von Feuer verzehrt, und das Licht heller als das der Sonne war. Es befreite Joseph von seinem unsichtbaren Feind. Die Finsternis verschwand.
Durch Josephs Gebet wurde der Himmel geöffnet und Macht herabgerufen, die die mächtigste Gegenkraft bezwang, die Joseph jemals verspürt hatte.Inmitten der „Feuersäule“
sah Joseph ein herrliches Wesen über ihm in der Luft stehen. Dieses nannte Joseph beim Namen und sagte: „Dies ist mein geliebter Sohn. Ihn höre!“ Joseph sah ein zweites Wesen, das dem ersten genau glich. Daraufhin nannte der Sohn ihn beim Namen und sagte: „Deine Sünden sind dir vergeben.“Joseph fragte die himmlischen Wesen, welche Kirche wahr sei. „Muss ich mich der Methodistenkirche anschließen?“, fragte er.
„Ich bekam die Antwort, ich dürfe mich keiner von ihnen anschließen, denn sie seien alle im Unrecht.“ Denn „keine Glaubensgemeinschaft [glaubte] an die wahre Lehre“ und Gott erkannte „keine von ihnen als seine Kirche und sein Reich an“. Der immerwährende Bund – die Verbindung zwischen dem Evangelium Christi aus alter Zeit und der Gegenwart –„war gebrochen worden“.Jesus Christus bestätigte, was Joseph selbst festgestellt hatte, nämlich, dass „die Welt … in Sünde“ liegt und dass sich alle Kirchen „vom Evangelium abgewandt [haben] und … meine Gebote nicht [halten]. Sie nahen sich mir mit den Lippen, aber ihr Herz ist ferne von mir.“
Die „Glaubensbekenntnisse“ der christlichen Kirchen seien in den Augen Gottes „ein Gräuel“.
Sie behaupteten, Gott sei unerkennbar und unbegreiflich – und doch war er es, der sich Joseph Smith als Antwort aufs Gebet offenbarte. Einem philosophisch geprägtem Glaubensbekenntnis zufolge sei Gott „ohne Leib, Glieder und Regungen“. Und doch konnte Joseph Smith die Wesen sehen und hören und ihre überwältigende Liebe verspüren.„Meine Seele war von Liebe erfüllt“, heißt es im Bericht aus Josephs eigener Feder, „und viele Tage lang verspürte ich die allergrößte Freude, und der Herr war mit mir, doch ich konnte keinen finden, der an die himmlische Vision glauben wollte. Und doch dachte ich über alles, was geschehen war, im Herzen nach.“
Für Joseph Smith ging sein „größter Wunsch“ in Erfüllung.
Er „hatte herausgefunden, dass das Zeugnis des Jakobus stimmt – dass jemand, dem es an Weisheit fehlt, Gott darum bitten und sie erlangen kann“. Die Antwort auf sein gebeterfülltes Bestreben entsprach nicht dem, wozu die Prediger der Erweckungsbewegung anregten, vielleicht auch nicht seiner eigenen Vorstellung. Es gab weder „Jauchzen“ noch eine Kirchenbank, auf der er saß und sich aufgrund der Gebete der Gläubigen bekehrte, noch gab es „Prediger, die ihre tiefe Stimme erhoben“. Joseph Smith war allein in der „Wildnis“ und handelte entsprechend der in der Bibel oft wiederholten Aufforderung, sich um Offenbarung zu bemühen: „Bittet und ihr werdet empfangen.“
Lesen Sie die vier von Joseph Smith selbst verfassten Berichte:
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